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Expressionismus (1910-1925) – Epoche der Literatur

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Epoche: Expressionismus

Der Begriff Expressionismus stammt vom lat. Wort expressio (= Ausdruck) und bedeutet ‚Ausdruckskunst‘. Er wurde 1911 von Kurt Hiller von der Bildenden Kunst auf die Literatur übertragen.

Der Expressionismus lässt sich in drei Phasen einteilen:

– den Frühexpressionismus 1910-14,
– den Kriegsexpressionismus 1914-18
– den Spätexpressionismus 1918-25.

Historischer Hintergrund

Das wichtigste historische Ereignis während des Expressionismus war der Erste Weltkrieg. Die Novemberrevolution 1918 in Deutschland beseitigte die Monarchie und führte zur Errichtung einer parlamentarischen Republik. Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 ging Friedrich Ebert als erster Präsident der Weimarer Republik hervor. Am 11. August 1919 wurde von der Mehrheit der Nationalversammlung die Weimarer Verfassung angenommen.

Ideologischer Hintergrund

Auf die expressionistischen Schriftsteller wirkten drei wichtige Einflüsse: der Darwinismus, der Kulturpessimismus Nietzsches und die Psychoanalyse Freuds.

Expressionistische Literatur

Die Expressionisten lehnten alle Arten des Denkens ab, die auf Logik und Erklärbarkeit basierten. Die Betrachtung des menschlichen Individuums rückte hinter die Erfassung des Wesens der Dinge. In der Sprache hoben sich die Expressionisten deutlich von anderen Stilrichtungen und Epochen ab.

Die expressionistische Sprache war extrem subjektiv und durch Ekstase und Pathos gekennzeichnet, grammatische Normen wurden dabei oft gebrochen. Alle Gattungen des Expressionismus weisen zudem einen hohen Metapherngebrauch und eine große Farbsymbolik auf.

Else Lasker-Schüler (aus: Wikimedia)

Am Anfang des Expressionismus war die Lyrik die dominierende Gattung. Die ersten expressionistischen Gedichte waren Weltende (1905) von Else Lasker-Schüler und Weltende (1910) von Jakob van Hoddis. Die expressionistische Lyrik ist gemischt von Traditionsbruch und der Beibehaltung traditioneller lyrischer Formen. Außerdem betrieben viele Expressionisten Experimente in der Form.

Der grammatische Satzbau der Verse wurde oft gebrochen. Viele expressionistische Gedichte waren von einer großen Metaphorik, Bildlichkeit und Farbsymbolik gekennzeichnet. Häufig fanden auch hässliche oder schockierende Elemente in ihnen ihren Platz, wie z. B. in den Gedichten Gottfried Benns. Die ästhetische Ausgrenzung des Hässlichen, wie in anderen Strömungen, wurde aufgegeben. Manche Autoren verwendeten oft Neologismen (Wortneuschöpfungen).

Die wichtigsten expressionistischen Lyriker waren Else Lasker-Schüler, Jakob van Hoddis, Franz Werfel, Alfred Lichtenstein, Gottfried Benn, Johannes Becher, Ernst Stadtler, August Stramm sowie Georg Trakl.

Jakob van Hoddis – Weltende (1910)

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei.
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei.
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Der Typus des Stationendramas eignete sich hervorragend, um die traditionelle Dramenform aufzubrechen. Der Gang der Handlung verläuft nicht in einer geordneten Reihenfolge, sondern setzt sich aus einzelnen, meist unverbundenen Elementen, Stationen oder Bildern zusammen. Charakteristisch für die Thematik vieler Dramen war ein Wandlungsprozess des Protagonisten, wie er programmatisch in Tollers Die Wandlung (1919) gezeigt wird.

Nach der freiwilligen Kriegsbeteiligung des Protagonisten findet dieser bald die wahren Hintergründe des Krieges heraus. Er wandte sich von ihm ab und der Revolution zu, die er zu verbreiten versucht. Brechts dramatisches Frühwerk, Baal (1919) und Trommeln in der Nacht (1922), sind in die Zeit des Expressionismus einzuordnen.

Das epische Werk des Expressionismus fand bei der Nachwelt nur wenig Beachtung, trotz des Vorhandenseins zahlreicher und umfangreicher epischer Texte. Zu den wichtigsten Prosaautoren gehörten Alfred Döblin (Die Ermordung einer Butterblume, 1910) und Carl Einstein (Bebuquin, 1912) sowie Autoren, deren Zuordnung umstritten ist, wie Heinrich Mann, Robert Walser und Franz Kafka.

Literarische Formen im Expressionismus

  • traditionelle Formen und Traditionsbruch in der Lyrik
  • Stationendrama, Verkündigungsdrama
  • Prosa (Roman, Erzählung, Novelle, u. a.)

Vertreter des Expressionismus

  • Gottfried Benn (1886-1956)
  • Alfred Döblin (1878-1957)
  • Jakob van Hoddis (1887-1942)
  • Franz Kafka (1883-1924)
  • Else Lasker-Schüler (1869-1945)
  • Heinrich Mann (1871-1950)
  • Robert Musil (1880-1942)
  • Ernst Stadler (1883-1914)
  • Carl Sternheim (1878-1942)
  • Ernst Toller (1893-1939)
  • Georg Trakl (1887-1914)
  • Robert Walser (1878-1956)
  • Franz Werfel (1890-1945)

Werke des Expressionismus

  • Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen (1905) – H. Mann
  • Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (1906) – Musil
  • Die Ermordung einer Butterblume (1910) – Döblin
  • Bebuquin (1912) – C. Einstein
  • Gesänge an Berlin (1914) – Lichtenstein
  • Gehirne (1915) – Benn
  • Die Verwandlung (1915) – Kafka
  • Der Untertan (1918) – H. Mann
  • Weltende (1918) – Hoddis
  • Baal (1919) – Brecht
  • Menschheitsdämmerung, Symphonie jüngster Dichtung (1920) – Pinthus
  • Masse Mensch (1920) – Toller
  • Trommeln in der Nacht (1922) – Brecht
  • Die Maschinenstürmer (1922) – Toller

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