Dienstag, März 19, 2024

Neue Sachlichkeit / Weimarer Republik (1919-1932) – Epoche der Literatur

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Epoche: Neue Sachlichkeit / Weimarer Republik

Der Begriff Neue Sachlichkeit ist eine Stilbezeichnung für die Malerei und Literatur in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Autoren der neuen Sachlichkeit legten Wert auf eine objektive Darstellung der sozialen und ökonomischen Wirklichkeit.

Historischer Hintergrund

Zu den wichtigsten historischen Einflüssen auf die Autoren der Weimarer Republik gehörte der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 und die Entstehung der Republik.
Die Geschichte der Weimarer Republik wird in drei Phasen eingeteilt: Krisenjahre 1919 bis 1923, die Goldenen Zwanziger von 1924 bis 1928 sowie die Weltwirtschaftskrise und der Untergang von 1929 bis 1933.

Literatur der Weimarer Republik

Die Organisation von Schriftstellern war eine Gegenreaktion auf die Richtlinien der Verlage. 1909 entstand der Schutzbund deutscher Schriftsteller (SDS), der Rechtsschutz gegen staatliche Eingriffe in die Literaturschöpfung seiner Mitglieder gewährte. 1921 wurde der PEN-Club gegründet, der sich für Weltfrieden und Antirassismus einsetzte.

Meinungsfreiheit und das Nichtvorhandensein einer Zensur waren nur auf dem Papier stehende Behauptungen. In Wirklichkeit wurde eine unzensierte Veröffentlichung jedoch gestört, z. B. durch das Schund- und Schmutzgesetz. Dieses führte zu zahlreichen Verboten von Büchern.

    Prosa der Neuen Sachlichkeit

Die Prosa schien den Autoren der Neuen Sachlichkeit als angemessenste Gattung, um ihre Vorstellungen zu verwirklichen. Sie unterliegt keinen Formkonventionen und ist die offenste Gattung für Experimente. Die dabei am häufigsten verwendeten literarischen Formen waren Dokumentationen, Reportagen, Sachberichte und Romane. Das Erzählen ist dabei geprägt von philosophischen, historischen, soziologischen und psychologischen Momenten.

Zentrale Themen der Romane der Neuen Sachlichkeit waren Großstadt, Technik, Wirtschaft und Industrie, Arbeit und Arbeitslosigkeit sowie Lebensumstände und Alltag. So werden z. B. häufig Angestellte gezeigt, die von der Arbeitslosigkeit bedroht sind und versuchen, sich davor zu schützen. Neben dem Themenkomplex Großstadt, Industrie und Arbeitslosigkeit spielten auch Kriegsdarstellungen eine wichtige Rolle. Das wohl bekannteste Beispiel dafür ist Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues (1928).

     Lyrik der Neuen Sachlichkeit

Das wichtigste Kriterium der Lyrik der Neuen Sachlichkeit war die Orientierung am Gebrauchswert. Man spricht daher auch von Gebrauchslyrik. Mithilfe lyrischer Gebrauchsanweisungen konnten die Autoren die Rezeption ihrer Werke steuern, z. B. tat dies Brecht in seiner Hauspostille mit einer Anleitung zum Gebrauch der einzelnen Lektionen. Neben Brecht produzierten auch Kästner (z. B. Herz auf Taille, 1928; Gesang zwischen den Stühlen, 1932), Tucholsky (z. B. Ideal und Wirklichkeit) und Ossietzky Gebrauchslyrik.

Kurt Tucholsky – Ideal und Wirklichkeit

In stiller Nacht und monogamen Betten
denkst du dir aus, was dir am Leben fehlt.
Die Nerven knistern. Wenn wir das doch hätten,
was uns, weil es nicht da ist, leise quält.
   Du präparierst dir im Gedankengange
   das, was du willst – und nachher kriegst das nie …
   Man möchte immer eine große Lange,
   und dann bekommt man eine kleine Dicke –
      C’est la vie -!

Sie muß sich wie in einem Kugellager
in ihren Hüften biegen, groß und blond.
Ein Pfund zu wenig – und sie wäre mager,
wer je in diesen Haaren sich gesonnt …
   Nachher erliegst du dem verfluchten Hange,
   der Eile und der Phantasie.
   Man möchte immer eine große Lange,
   und dann bekommt man eine kleine Dicke –
      Ssälawih -!

Man möchte eine helle Pfeife kaufen
Und kauft die dunkle – andere sind nicht da.
Man möchte jeden Morgen dauerlaufen
und tut es nicht. Beinah … beinah …
   Wir dachten unter kaiserlichem Zwange
   an eine Republik … und nun ists die!
   Man möchte immer eine große Lange,
   und dann bekommt man eine kleine Dicke –
      Ssälawih -!
Ideal und Wirklichkeit

     Drama der Neuen Sachlichkeit

Die wichtigsten Theaterformen der Neuen Sachlichkeit waren das politische Theater, das Dokumentartheater, das Epische Theater und das Volksstück. Zu den wichtigsten Volksstückautoren gehörte Carl Zuckmayer mit Werken wie Der fröhliche Weinberg (1925) und Der Hauptmann von Köpenick (1931). Mit der Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny gelang Brecht ein großer Erfolg als Bühnenautor.

     Episches Theater der Neuen Sachlichkeit

Das Epische Theater ist eine Theaterform, die den Zuschauer nicht in eine Illusion einhüllt, sondern versucht, diese durch bestimmte Verfremdungseffekte zu brechen. Brecht schuf damit eine moderne Theaterform, die mit der Tradition des Dramas nach Aristoteles oder Lessing radikal brach.

Epische Dramen weisen keinen strengen Aufbau, wie die Einteilung in Akte und Szenen, auf, sondern haben die Form von Episoden. Das Ende ist meist offen. Die Wirkungsabsicht besteht nicht mehr in der Einfühlung des Zuschauers in den Protagonisten. Statt dessen soll eine Distanzierung vom Dargestellten erreicht werden, die dem Zuschauer eine Interpretation ermöglicht und ihn zu Veränderungen erkannter Missstände anregt. Die Theaterform nennt man episch, da außerhalb der Handlung ein Erzähler vorkommt.

Verfremdungseffekte

  • Erzählerkommentare zum Publikum
  • Spruchbänder
  • Plakate
  • Songs
  • Chöre

1930 unternahm Brecht einige der ersten theoretischen Überlegungen zum Epischen Theater. Diese schrieb er in den Anmerkungen zur Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny nieder. Darin stellte Brecht unter anderem die dramatische Form des Theaters der epischen Form gegenüber.

Literarische Formen der Neuen Sachlichkeit

  • Roman
  • Reportage
  • Dokumentation
  • Sachbericht
  • Zeitroman
  • Montage
  • Gebrauchslyrik

Vertreter der Neuen Sachlichkeit

  • Bertolt Brecht (1898-1956)
  • Alfred Döblin (1878-1957)
  • Hans Fallada (1893-1947)
  • Lion Feuchtwanger (1884-1958)
  • Hermann Hesse (1877-1962)
  • Franz Kafka (1883-1924)
  • Erich Kästner (1899-1974)
  • Thomas Mann (1875-1955)
  • Robert Musil (1880-1942)
  • Erich Maria Remarque (1898-1970)
  • Joseph Roth (1894-1939)
  • Kurt Tucholsky (1890-1935)
  • Robert Walser (1878-1956)
  • Carl Zuckmayer (1896-1977)

Werke der Neuen Sachlichkeit

  • Siddharta (1922) – Hesse
  • Der Zauberberg (1924) – Th. Mann
  • Der Prozeß (1925) – Kafka
  • Der Steppenwolf (1927) – Hesse
  • Erfolg (1927/30) – Lion Feuchtwanger
  • Aufstand der Fischer von St. Barbara (1928) – Seghers
  • Im Westen nichts Neues (1929) – Remarque
  • Berlin Alexanderplatz (1929) – Döblin
  • Narziß und Goldmund (1930) – Hesse
  • Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (1930) – Brecht
  • Der Mann ohne Eigenschaften (1930) – Musil
  • Hiob (1930) – Roth
  • Geschichten aus dem Wiener Wald (1931) – Ödön von Horvath
  • Der Hauptmann von Köpenick (1931) – Zuckmayer
  • Kleiner Mann – was nun? (1932) – Fallada
  • Vor Sonnenuntergang (1932) – Hauptmann
  • Radetzkymarsch (1932) – Roth

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