Samstag, April 20, 2024

Die traurige Krönung – Eduard Mörike

Für Links in diesem Beitrag erhält https://www.literaturwelt.com ggf. eine Zahlung von einem Partner. Der Inhalt bleibt unbeeinflusst.

Autor: Eduard Mörike
Werk: Die traurige Krönung
Jahr: 1828
Gedichtform: Ballade

Es war ein Koenig Milesint,
Von dem will ich euch sagen:
Der meuchelte sein Bruderskind,
Wollte selbst die Krone tragen.
Die Kroenung ward mit Prangen
Auf Liffey-Schloss begangen.
O Irland! Irland! warest du so blind?

Der Koenig sitzt um Mitternacht
Im leeren Marmorsaale,
Sieht irr in all die neue Pracht,
Wie trunken von dem Mahle;
Er spricht zu seinem Sohne:
„Noch einmal bring die Krone!
Doch schau, wer hat die Pforten aufgemacht?“

Da kommt ein seltsam Totenspiel,
Ein Zug mit leisen Tritten,
Vermummte Gaeste gross und viel,
Eine-Krone schwankt in Mitten;
Es draengt sich durch die Pforte
Mit Fluestern ohne Worte;
Dem Koenige, dem wird so geisterschwuel.

Und aus der schwarzen Menge blickt
Ein Kind mit frischer Wunde;
Es laechelt sterbensweh und nickt,
Es macht im Saal die Runde,
Es trippelt zu dem Throne,
Es reichet eine Krone
Dem Koenige, des Herze tief erschrickt.

Darauf der Zug von dannen strich,
Von Morgenluft berauschet,
Die Kerzen flackern wunderlich,
Der Mond am Fenster lauschet;
Der Sohn mit Angst und Schweigen
Zum Vater raet sich neigen, –
Er neiget ueber eine Leiche sich.

Epoche in welcher das Werk Die traurige Krönung entstanden ist:

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein