Donnerstag, April 25, 2024

Ideal und Wirklichkeit – Kurt Tucholsky

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Autor: Kurt Tucholsky
Werk: Ideal und Wirklichkeit
Erscheinungsjahr: 1929
Epoche: Neue Sachlichkeit

In stiller Nacht und monogamen Betten
denkst du dir aus, was dir am Leben fehlt.
Die Nerven knistern. Wenn wir das doch hätten,
was uns, weil es nicht da ist, leise quält.
   Du präparierst dir im Gedankengange
   das, was du willst – und nachher kriegst das nie …
   Man möchte immer eine große Lange,
   und dann bekommt man eine kleine Dicke –
      C’est la vie -!

Sie muß sich wie in einem Kugellager
in ihren Hüften biegen, groß und blond.
Ein Pfund zu wenig – und sie wäre mager,
wer je in diesen Haaren sich gesonnt …
   Nachher erliegst du dem verfluchten Hange,
   der Eile und der Phantasie.
   Man möchte immer eine große Lange,
   und dann bekommt man eine kleine Dicke –
      Ssälawih -!

Man möchte eine helle Pfeife kaufen
Und kauft die dunkle – andere sind nicht da.
Man möchte jeden Morgen dauerlaufen
und tut es nicht. Beinah … beinah …
   Wir dachten unter kaiserlichem Zwange
   an eine Republik … und nun ists die!
   Man möchte immer eine große Lange,
   und dann bekommt man eine kleine Dicke –
      Ssälawih -!

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