Freitag, April 19, 2024

An Ebert – Friedrich Gottlieb Klopstock

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Autor: Friedrich Gottlieb Klopstock
Werk:
An Ebert
Jahr: 1748
Gedichtform: Ode

Ebert, mich scheucht ein trüber Gedanke vom blinkenden Weine
    Tief in die Melancholey!
Ach du redest umsonst, vordem gewaltiges Kelchglas,
    Heitre Gedanken mir zu!
Weggehn muß ich, und weinen! vielleicht, daß die lindernde Thräne
    Meinen Gram mir verweint.
Lindernde Thränen, euch gab die Natur dem menschlichen Elend
    Weis‘ als Gesellinnen zu.
Wäret ihr nicht, und könnte der Mensch sein Leiden nicht weinen;
    Ach! wie ertrüg‘ er es da!
Weggehn muß ich, und weinen! Mein schwermuthsvoller Gedanke
    Bebt noch gewaltig in mir.
Ebert! sind sie nun alle dahin! deckt unsere Freunde
    Alle die heilige Gruft;
Und sind wir, zween Einsame, dann von allen noch übrig!
    Ebert! verstummst du nicht hier?
Sieht dein Auge nicht trüb‘ um sich her, nicht starr ohne Seele?
    So erstarb auch mein Blick!
So erbebt‘ ich, als mich von allen Gedanken der bängste
    Donnernd das erstemal traf!
Wie du einen Wanderer, der, zueilend der Gattin,
    Und dem gebildeten Sohn,
Und der blühenden Tochter, nach ihrer Umarmung schon hinweint,
    Du den, Donner, ereilst,
Tödtend ihn fassest, und ihm das Gebein zu fallendem Staube
    Machst, triumphirend alsdann
Wieder die hohe Wolke durchwandelst; so traf der Gedanke
    Meinen erschütterten Geist,
Daß mein Auge sich dunkel verlor, und das bebende Knie mir
    Kraftlos zittert‘, und sank.
Ach, in schweigender Nacht, ging mir die Todtenerscheinung,
    Unsre Freunde, vorbey!
Ach in schweigender Nacht erblickt‘ ich die offenen Gräber,
    Und der Unsterblichen Schaar!
Wenn mir nicht mehr das Auge des zärtlichen Giseke lächelt!
    Wenn, von der Radikin fern,
Unser redlicher Cramer verwest! wenn Gärtner, wenn Rabner
    Nicht sokratisch mehr spricht!
Wenn in des edelmüthigen Gellert harmonischem Leben
    Jede Saite verstummt!
Wenn, nun über der Gruft, der freye gesellige Rothe
    Freudegenossen sich wählt!
Wenn der erfindende Schlegel aus einer längern Verbannung
    Keinem Freunde mehr schreibt!
Wenn in meines geliebtesten Schmidts Umarmung mein Auge
    Nicht mehr Zärtlichkeit weint!
Wenn sich unser Vater zur Ruh, sich Hagedorn hinlegt;
    Ebert, was sind wir alsdann,
Wir Geweihten des Schmerzes, die hier ein trüberes Schicksal
    Länger, als Alle sie ließ?
Stirbt dann auch einer von uns; (mich reißt mein banger Gedanke
    Immer nächtlicher fort!)
Stirbt dann auch Einer von uns, und bleibt nur Einer noch übrig;
    Bin der Eine dann ich;
Hat mich dann auch die schon geliebt, die künftig mich liebet,
    Ruht auch sie in der Gruft;
Bin dann ich der Einsame, bin allein auf der Erde:
    Wirst du, ewiger Geist,
Seele zur Freundschaft erschaffen, du dann die leeren Tage
    Sehn, und fühlend noch seyn?
Oder wirst du betäubt zu Nächten sie wähnen und schlummern,
    Und gedankenlos ruhn?
Aber du könntest ja auch erwachen, dein Elend zu fühlen,
    Leidender, ewiger Geist.
Rufe, wenn du erwachst, das Bild von dem Grabe der Freunde,
    Das nur rufe zurück!
O ihr Gräber der Todten! ihr Gräber meiner Entschlafnen!
    Warum liegt ihr zerstreut?
Warum lieget ihr nicht in blühenden Thalen beysammen?
    Oder in Hainen vereint?
Leitet den sterbenden Greis! Ich will mit wankendem Fuße
    Gehn, auf jegliches Grab
Eine Zypresse pflanzen, die noch nicht schattenden Bäume
    Für die Enkel erziehn,
Oft in der Nacht auf biegsamen Wipfeln die himlische Bildung
    Meiner Unsterblichen sehn,
Zitternd gen Himmel erheben mein Haupt, und weinen, und sterben!
    Senket den Todten dann ein
Bey dem Grabe, bey dem er starb! nim dann, o Verwesung!
    Meine Thränen, und mich!
Finstrer Gedanke, laß ab! laß ab in die Seele zu donnern!
    Wie die Ewigkeit ernst,
Furchtbar, wie das Gericht, laß ab! die verstummende Seele
    Faßt dich, Gedanke, nicht mehr!

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