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Autor: Friedrich Gottlieb Klopstock
Werk: An Giseke
Jahr: 1748
Gedichtform: Ode
Geh! ich reiße mich los, obgleich die männliche Tugend
Nicht die Thräne verbeut,
Geh! ich weine nicht, Freund. Ich müßte mein Leben durchweinen,
Weint‘ ich dir, Giseke, nach!
Denn so werden sie alle dahin gehn, jeder den andern
Traurend verlassen, und fliehn.
Also trennet der Tod gewählte Gatten! der Mann kam
Seufzend im Ozean um,
Sie am Gestad, wo von Todtengeripp, und Scheiter, und Meersand
Stürme das Grab ihr erhöhn.
So liegt Miltons Gebein von Homers Gebeine gesondert,
Und der Zypresse verweht
Ihre Klag‘ an dem Grabe des Einen, und kennt nicht hinüber
Nach des Anderen Gruft.
So schrieb unser aller Verhängniß auf eherne Tafeln
Der im Himmel, und schwieg.
Was der Hocherhabene schrieb, verehr‘ ich in Staube,
Weine gen Himmel nicht auf.
Geh, mein Theurer! Es letzen vielleicht sich unsere Freunde
Auch ohne Thränen mit dir;
Wenn nicht Thränen die Seele vergießt, unweinbar dem Fremdling
Sanftes edles Gefühls.
Eile zu Hagedorn hin, und hast du genung ihn umarmet,
Ist die erste Begier,
Euch zu sehen, gestillt, sind alle Thränen der Freude
Weggelächelt entflohn,
Giseke, sag‘ ihm alsdann, nach drey genossenen Tagen,
Daß ich ihn liebe, wie du!