Für Links in diesem Beitrag erhält https://www.literaturwelt.com ggf. eine Zahlung von einem Partner. Der Inhalt bleibt unbeeinflusst.
Epoche: Spätmittelalter
Der Begriff Mittelalter ging aus der nachfolgenden Epoche, der Renaissance, hervor. Die Humanisten wählten den Begriff für die Zeit zwischen Antike und der Neuzeit.
Weltbild des Spätmittelalters
Das mittelalterliche Weltbild ist tief von Kirche und Bibel geprägt. Gott ist der Erschaffer der Welt, der Natur und des Menschen und lenkt diese. Die Vertreibung aus dem Paradies wird als Beginn der Geschichte angesehen, die europäischen Königs- und Kaiserreiche – unter Einfluss der Kirche – als Vorläufer des Gottesreichs auf der Erde nach dem Jüngsten Gericht. Der einzelne Mensch ist Bestandteil dieser Ordnung, er fühlt sich als Teil der Gesellschaft, nicht als Individuum.
Historischer Hintergrund
In den Ländern Westeuropas errungen die Könige stetig an Macht. In Deutschland hingegen nahm die Macht ab, die der Reichs- und Kurfürsten hingegen stieg. Die Kurfürsten hatten nun das Recht einen König zu wählen. Die Städte erhielten große politische und wirtschaftliche Macht und wurden zu neuen Bildungszentren neben den Höfen.
Durch den Niedergang des Rittertums nach dem Ende der Stauferzeit gewann das aufsteigende Bürgertum zunehmend mehr politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Einfluss. Das bürgerlich geprägte Spätmittelalter orientierte sich am höfischen Hochmittelalter. Es kam zu einer Blüte des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. Einen dunklen Einschnitt hinterließen jedoch die Pestepidemien um 1350 in ganz Europa.
Die Naturwissenschaften waren in einem großen Aufschwung und die Anzahl der Schulen und Universitäten nahm rasch zu. Die Leserschaft des Spätmittelalters bekam durch Erfindung des Buchdrucks von Johannes Gutenberg und Rückgang des Analphabetismus ebenfalls einen großen Zuwachs.
Die spätmittelalterliche Dichtung
Der Minnesang veränderte sich stark: einerseits entwickelte er sich zum Meistersang, andererseits löste er sich im Volkslied auf. Das höfische Epos und das Heldenepos bestanden weiterhin, aber wichen der Erzählprosa zurück. Johannes von Tepl schuf das wichtigste spätmittelalterliche Prosawerk: Der Ackermann aus Böhmen.
Im 13. Jahrhundert entstand das erste deutschsprachige Schauspiel. Vorausgegangen waren viele geistliche Spiele und es folgten darauf später die Fastnachtspiele. Nach Überwindung der Pestepidemien besann man sich wieder mehr auf geistliche Literatur. Es bildeten sich Geißlerlieder und Totentänze heraus.
Daneben traten aber auch die bekannten Schwankdichtungen zum Vorschein. Die geistliche Dichtung im Spätmittelalter war geprägt vom geistlichen Drama, zu dem Osterspiele, Weihnachtsspiele, Passions- und Marienspiele zählten. Diese Spiele hatten eine große Zuschauerschaft: nämlich das Volk, da sie meist auf großen Plätzen aufgeführt wurden. Sie blieben also nicht nur den hohen Schichten des Volkes vorbehalten.
Im Spätmittelalter entwickelte sich das Frühneuhochdeutsch heraus, allerdings nicht durch spätmittelalterliche Dichtung, sondern durch die beginnende Entfaltung der Fachliteratur. Diese wurde weiter verbreitet als die Dichtung und war für die Menschen aller Stände auch bedeutsamer. Ein Hinweis darauf gibt auch die Anzahl der heutigen Überlieferungen: Von der mittelalterlichen Fachliteratur existieren um ein Vielfaches mehr Überlieferungen als die mittelalterlichen Dichtungen.
Literarische Formen im Spätmittelalter
- Schwank
- Totentanz
- Volksbuch
- Volkslied
- Meistersang
- Fastnachtspiel
- Geistliches Drama
- Legenden
Schwank:
Bedeutet Streich oder lustiger Einfall und stammt vom mittelhochdeutschen Wort swanc. Der Schwank ist eine komische, belehrende manchmal auch groteske Erzählung einer lustigen Begebenheit.
Totentanz:
Der Totentanz ist eine sinnbildliche Darstellung von Menschen, die mit Toten (meist Skelette) tanzen. Die Abbildung wird meist mit Versunterschriften kommentiert. Der Totentanz weist auf die Vergänglichkeit hin, fordert zur Reue auf und stellt die Unausweichbarkeit des Todes dar. Er beruht auf einem mittelalterlichen Aberglauben, dass Tote als Skelette aus ihren Gräbern steigen und die Lebenden mit einem Tanz verlocken, um sie zu sich zu holen.
Volksbuch:
Verschiedene Gattungen von Texten, wie Sagen, Legenden, Gedichten, Balladen und Fabeln. Das Volksbuch verband Unterhaltung mit Lehrreichem.
Meistersang:
Der Meistersang entstand aus der Spruchdichtung. Die Meistersänger organisierten sich in Schulen. Der bekannteste von ihnen ist Hans Sachs aus Nürnberg. Der Meistersang bestand aus 3 Strophen, die ähnlich einem Minnelied aufgebaut waren: Die ersten beiden Strophen bildeten den Aufgesang, die dritte den Abgesang.
Fastnachtspiel:
Ist eine frühe Form des späteren Dramas. Es besteht meist aus Streitszenen. Das Fastnachtspiel wurde durch die Meistersinger zur Verspottung des dritten Standes, denn sie höhnten über die Dummheit der Bauern. Das Fastnachtspiel hatte eine belehrende Funktion: Neben dem lustigen Spiel hatte es eine ernste, moralisierende Absicht. Außerdem sollte es politische und religiöse Ziele propagieren. Der bekannteste Vertreter der Fastnachtspiele ist Hans Sachs.
Vertreter des Spätmittelalters
- Hugo von Trimberg (ca. 1230 – ca. 1315)
- Heinrich von Meißen (ca. 1250-1318)
- Johannes von Tepl (ca. 1350-1414)
- Oswald von Wolkenstein (ca. 1377-1445)
- Mechthild von Magdeburg (1208-1282/97)
- Gertrud von Hefta (1256-1302)
- Meister Eckhart (ca. 1260-1328)
- Heinrich Seuse (ca. 1295-1366)
- Hans Folz (ca. 1435-1513)
- Heinrich von Mügeln (ca. 1325-ca. 1395)
- Ulrich Füetrer (t ca. 1500)
Werke des Spätmittelalters
- Meier Helmbrecht (1280) – Wernher der Gartenaere
- Das fließende Licht der Gottheit (1282) – Mechthild von Magdeburg
- Lohengrin (1280/90) – anonym
- Mystische Schriften (1295/1327) – Meister Eckhart
- Der Renner (1300) – Hugo von Trimberg
- Das Büchlein der ewigen Weisheit (1327/34) – Seuse
- Gedichte (1400/45) – Oswald von Wolkenstein
- Der Ackermann aus Böhmen (ca. 1400) – Johannes von Tepl
- Das Buch der Abenteuer (1473/83) – Ulrich Füetrer