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Epoche: Sturm und Drang
Der Begriff des Sturm und Drang ist von Klingers gleichnamigem Drama Sturm und Drang (1776) hergeleitet. Der Beginn der Epoche wurde mit dem Erscheinen der herderschen Fragmente 1767 markiert. Der Sturm und Drang endet mit dem Wandel Goethes und Schillers zu Klassikern, ausgelöst durch Goethes Bildungsreise nach Italien und Schillers Kant-Studien.
Literatur des Sturm und Drang
Geniekult
Im Mittelpunkt neuer ästhetischer Betrachtungen steht nun das Genie, nicht mehr die Regelpoetik. Die Zeit des Sturm und Drang wird auch als Geniezeit bezeichnet, die viele Genies hervorbrachte, und in welcher der Dichter gegenüber anderen Menschen herausgehoben wurde. Starke Impulse erhielten die Genies durch Shakespeare. Er avancierte bei den Stürmern und Drängern zum Vorbild als genialer Dichter.
Ein Entstehungsgrund für den Geniekult war auch der hinzugekommene starke Konkurrenzdruck auf dem literarischen Markt. Die neue Literatur ist einerseits durch Genialität, andererseits durch Subjektivität geprägt worden. Der Sturm und Drang darf nicht als Kampf gegen die Aufklärer gesehen werden. Mit dem Sturm und Drang trat die Aufklärung in eine neue Phase ein. Die aufklärerische Rationalität wurde durch die Gefühlsregungen der Stürmer und Dränger erweitert. Verstand und Gefühl bildeten nun eine Einheit.
Das Drama im Sturm und Drang
Die bevorzugte literarische Form der Stürmer und Dränger war das Drama, ihm wurde eine erzieherische und bildende Rolle zugeschrieben. Mit Werken wie Die Räuber (1781) und Kabale und Liebe (1784) von Schiller und dem Götz von Berlichingen (1773) von Goethe wurde das deutsche Theater mit dem französischen und englischem Theater ebenbürtig.
Die Behandlung aktueller Gesellschaftsprobleme ist eine Neuerung des Dramas des Sturm und Drang gegenüber anderen Epochen. Eines haben die Dramen des Sturm und Drang alle gemeinsam: Am Ende scheitert der Held an den gesellschaftlichen Verhältnissen und kann seine Identität nur durch Mord, Freitod oder Selbstverstümmelung bewahren.
Wichtige Themen der Dramen im Sturm und Drang waren Freiheitskampf gegen die Gesellschaft (z. B. Schiller: Kabale und Liebe, Die Räuber; Goethe: Götz von Berlichingen; Klinger: Die Zwillinge) und gesellschaftliche Geschlechterauffassungen (z. B. Lenz: Die Soldaten).
Der Roman im Sturm und Drang
Der bürgerliche Roman hatte vor der Epoche des Sturm und Drang das gleiche Problem wie das bürgerliche Drama. Beide standen sie noch in ihren Kinderschuhen. Erst mit Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werthers (1774) erschien der erste bürgerliche Roman.
Die Form des Briefromans ist eine Möglichkeit, das Gefühlsleben durch unkonventionelle Sprache zu artikulieren. Werther ist ein junger, bürgerlicher Intellektueller, der am Eingliederungsversuch eines bürgerlichen Individuums in die feudale Ordnung (Ständegesellschaft) scheitert und darauf Selbstmord begeht. Werther war ein Außenseiter der Gesellschaft und nicht angepasst und integriert wie Albert.
Werther behauptete für sich das Recht auf Selbstbestimmung, Selbstfindung und Selbstverwirklichung. Dies war jedoch nicht bei der Arbeit möglich, da er sich als Sekretär auch unterordnen muss. Einzig die Liebe bot ihm einen Ausweg aus der Subordination (Unterordnung), weil sie eine Gleichstellung zwischen zwei Liebenden ermöglichen kann.
Die Lyrik im Sturm und Drang
Die Lyrik des Sturm und Drang war bestimmt von Liebes-, Natur- und lehrhaften Gedichten. Die Empfindungslyrik spielte eine wesentliche Rolle, da auch sie, wie der Briefroman, das Gefühlsleben zum Ausdruck bringen konnte. Einige Beispiele sind Willkommen und Abschied (1771) von Goethe oder Der Bauer an seinen durchlauchtigen Tyrannen (1773) von Gottfried August Bürger.
Der Bauer an seinen durchlauchtigen Tyrannen
Gottfried August Bürger
Wer bist du, Fürst, daß ohne Scheu Zerrollen mich dein Wagenrad, Zerschlagen darf dein Roß? Wer bist du, Fürst, daß in mein Fleisch Dein Freund, dein Jagdhund, ungebleut Darf Klau und Rachen haun? Wer bist du, daß durch Saat und Forst Das Hurra deiner Jagd mich treibt, Entatmet wie das Wild? – Die Saat, so deine Jagd zertritt, Was Roß und Hund und du verschlingst, Das Brot, du Fürst, ist mein. Du Fürst hast nicht bei Egg und Pflug, Hast nicht den Erntetag durchschwitzt. Mein, mein ist Fleiß und Brot! – Ha! du wärst Obrigkeit von Gott? Gott spendet Segen aus; du raubst! Du nicht von Gott, Tyrann! |
Literarische Formen im Sturm und Drang
- bürgerliches Drama
- bürgerlicher Roman
- Empfindungslyrik
Vertreter des Sturm und Drang
- Gottfried August Bürger (1747-1794)
- Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
- Johann Gottfried von Herder (1744-1803)
- Friedrich Maximilian Klinger (1752-1831)
- Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792)
- Karl Philipp Moritz (1756-1793)
- Friedrich von Schiller (1759-1805)
4. Werke des Sturm und Drang
- Über die neuere deutsche Literatur. Fragmente (1767) – Herder
- Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand (1773) – Goethe
- Ganymed (1773) – Goethe
- Die Leiden des jungen Werthers (1774) – Goethe
- Der Hofmeister oder Vorteile der Privaterziehung (1774) – Lenz
- Die Soldaten (1776) – Lenz
- Sturm und Drang (1776) – Klinger
- Gedichte (1778) – Bürger
- Die Räuber (1781) – Schiller
- Kabale und Liebe (1784) – Schiller
- Prometheus (1785) – Goethe
- Anton Reiser (1785/90) – Moritz