Dienstag, März 19, 2024

Die Ballade – Gedichtform

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Das Wort Ballade ist vom provenzalischen balada aus Frankreich entlehnt, das wiederum dem ital. ballata entstammt und vom lat. Verb ballare ‚tanzen‘ abgeleitet ist. Ursprünglich entsprach die Bezeichnung einem Tanzlied. Die Schwierigkeiten des Begriffs erhöhte sich mit der Aufnahme des Wortes Romanze gegen Ende des 18. Jahrhunderts, das in dieser Zeit von Bürger bis Schiller synonym gebraucht wurde.

Merkmale der Ballade

  • episch-fiktionaler Charakter
  • immer in Versen verfasst
  • meist gereimt und strophisch
  • z. T. refrainartige Bestandteile
  • teleologische Vorgangsstrukturierung
  • Mensch steht im Mittelpunkt
  • auch wo sich wesentlichen Ereignisse sich in der Natur oder des Natur-Dämonischen begeben, sind sie auf den Menschen bezogen
  • Auseinandersetzung des Menschen mit Welt
  • Zusammenwirken lyrischer, epischer und dramatischer Bestandteile, wobei meist ein Element überwiegt
  • lyrische Element durch Verfasstheit in Versen gegeben, hinzu kommt meist noch Strophengliederung und Gereimtheit, sowie klangliche und rhythmische Wirkungsmittel, lyrische Ausrufe, Wiederholungen, Refrains, Naturstimmungen, Verwendung von stimmungstragenden Symbolen, welche die Stimmung der Ballade hervorrufen und unterstreichen
  • muss keine feste strophische oder metrische Form haben, alle metrischen und strophischen Möglichkeiten stehen ihr offen
  • Chevy-Chase-Strophe („Jagd auf den Cheviotbergen“) als eine typische Balladenstrophe, vielfach von Balladendichtern vom 18. bis 20. Jh. verwendet
  • epische Element zeigt sich Anwesenheit des Erzählers
  • Handlung meist um wenige Situationen herumgruppieren
  • spannungshafte, finalistische Struktur eigen
  • Erzählung wird in Ballade oft durch Dialog vergegenwärtigt

Die Anfänge der Balladendichtung – Sturm und Drang

Vorraussetzung für die Herausbildung der deutschen Kunstballade war eine europäische geistige Neuorientierung: der Irrationalismus. Wichtige Einflüsse bekam sie durch die Rezeption der spanischen Kunstromanze vor allem durch Gleim, durch die Bekanntheit mit englisch-schottischen Balladen z. B. in Übersetzungen Herders und durch den Bänkelsang.

Gleim ist der erste gewesen, der durch Rückgriff auf vergangene, volkstümliche oder „niedere“ Literaturmuster die hohe Literatur befruchten wollte. Gleim versuchte die Romanze dem heimischen Bänkelsang anzugleichen. Das häufigste Motiv in Gleims Romanzen ist das Wiedergängermotiv. Die ersten Kunstballaden sollten daher Geisterballaden werden.

Anstöße für Entwicklung der Kunstballade sind aus England gekommen: 1760 Macphersons „Ossian“ und 1765 Percys „Reliquies of Ancient Poetry“ (Sammlung von engl. Volksballaden, Verserzählungen, Liedern und Gedichten ab 15. Jh.). Percys Sammlung löste in Deutschland eine Sammlertätigkeit nach einheimischen Volksliedern aus (Herder, Goethe).

Die ersten Balladen stammen von Hölty: 1771 Adelstan und Röschen und 1773 Die Nonne. Im selben Jahr wie Höltys Nonne entstand darauf Bürgers Lenore. Bürger versucht mit seiner volksmäßigen Literatur alle Volksschichten gleichmäßig anzusprechen. Er gebraucht dabei eine nicht rationale und nicht logische Darstellung, sowie rein rhapsodischen Stil (Lebendigkeit, Unmittelbarkeit, Leidenschaftlichkeit, Volksmäßigkeit).

Bürgers Pfarrers Tochter von Taubenhain ist eine Mischung von Gespenstermotiv und Motiv der Kindsmörderin.
Im Jahr 1771 beschäftigte sich auch Goethe mit dem Sammeln von Volksballaden im Elsass. Mit Goethes Fischer 1778 und Erlkönig 1782 begründete er die naturmagische Ballade.

Die klassische Ballade

Um den Abstand zwischen Bildungselite und Volksmassen zu verringern, benötigt es nach Schiller nach einer „Idealisierkunst“, die richtige Stoffwahl und höchste Simplizität der Darstellung vereint. Schillers Balladen sind der Versuch, den Abstand zwischen Bildungs- und Massenpublikum durch Rückgang aufs allgemein-menschliche, Klarheit und Einfachheit zu überbrücken.

Die Balladenproduktionen der Klassiker im Jahr 1797 waren Werkstatterfindungen. Die klassische Ballade beschränkt sich auf die Arbeiten Schillers und Goethe in den Jahren 1797 und 1798, die in den „Musenalmanach für das Jahr 1798“ und „Musenalmanach für das Jahr 1799“ veröffentlicht wurden.

Im sog. „Balladenjahr“ 1797 machten Schiller und Goethe die Ballade zum Gegenstand eines „bewussten Kunstwillens und ästhetischen Experiments“. Im „Musenalmanach für das Jahr 1798“ erschienen Goethes

Im „Musenalmanach für das Jahr 1799“ erschienen Schillers Der Kampf mit dem Drachen und Die Bürgschaft.

Schillers Balladenproduktion fällt ganz in die klassische Phase, während sich Goethes Balladenproduktion über seine gesamte Schaffensperiode erstreckt. Die klassische Ballade hält Distanz zur volkstümlichen-germanischen, antik-klassischen, christlich-mittelalterlichen und orientalischen Welt.

Goethes Balladen

J.W. von Goethe (Bild aus: Wikipedia)

Goethes Balladen lassen sich nicht unter einen einheitlichen Gesichtspunkt bringen, da sich seine Balladenproduktion über sein gesamtes Leben erstreckt und thematisch wie formal breit gestreut ist. Das Merkmal seiner klassische Balladen ist eine humanistisch-ideelle Thematik. Seine Balladen tragen magische, mythische und religiöse Momente (z. B. Anrufung von Dämonen, Erlösungsgedanke).

Die Ballade bei Schiller

Schillers Balladen zielen auf eine „Veredlung“ der Gattung ab. Anstelle des Allegorischen tritt das Parabolische, die Versinnlichung des Ideals in dargestellter Handlung. Schillers Balladen sind der Versuch das Ideal zu versinnlichen und das Allgemeine zu einem besonderen Fall zu verdichten. Dabei stellt er das Humanitätsideal dar. Der Stoff ist für Schiller sekundär, dieser hat sich der Idee zu unterwerfen.

Schiller (Bild aus: Wikimedia Com.)


Merkmale der Balladen Schillers:

  • sittliche Dialektik
  • Menschlichkeitspathos, in Konfrontationen der Balladenhelden mit Untermenschlichem, Trieben, Meeresungeheuern oder z. B. Naturgewalten in der Bürgschaft
  • Schillers Balladen keine Schicksalsballaden: Schillers Intension ist es nicht zu zeigen, dass der Mensch das Schicksal, dem er physisch unterliegt, geistig, sinnlich überwinden kann
  • Verknüpfung verschiedener Handlungsebenen
  • spannungserzeugende Parallelführung von erzählter und verschwiegener Handlung in der Bürgschaft => raffender Lakonismus
  • Einlegung von ausgedehnten Berichten der handelnden Figuren (im Taucher und im Kampf mit dem Drachen)
  • Prinzip der Dreizahl: Verdreifachung von Motiven (in Bürgschaft und Ring des Polykrates)
  • Dramaturgie der Grenzsituationen gesteuert, Helden werden mit extremen Aufgaben und Entscheidungen konfrontiert und müssen ihre Freiheit bewähren
  • idealistisches Aktionsethos: aus der Idee kann ohne Tat nichts werden, aber menschliches Handeln zur reinen Tat ihrer selbst willen droht zu entleeren

Die Ballade der Romantik

Die Balladen der Frühromantik waren meist allegorisch-mystische Naturballaden, so Schlegels Romanze vom Licht oder Tiecks Das Wasser. Wichtig für die Frühromantiker war die Betonung des Volkstümlichen. Stärkere Impulse zu volkstümlichen Dichtung erhielt die Ballade durch die Heidelberger Romantiker. Hier wirkten vor allem Arnim und Brentano mit ihrer Sammlung Des Knaben Wunderhorn. Diese hatte auch den Zweck, den Abstand zwischen Bildungsbürgertum und Ungebildeten zu verringern, hinzu kam jetzt jedoch das nationale Element. Die wichtigsten Balladendichter der Romantik waren Brentano, Eichendorff, Uhland, Mörike (Die Geister am MummelseeDer Feuerreiter) und Kerner.

Die Balladen der Romantiker unterscheiden sich von denen der Klassiker in der Form deutlich: während Schillers Balladen in ihrem Aufbau verschieden zueinander waren, glichen die Balladen der Romantiker den Volksballaden, durch scheinbar kunstlose Reihung von Strophen, zum Teil mit refrainartigen Bestandteilen und einer schlichten Sprache. Die Handlung ist jetzt ganz in Stimmung aufgelöst. Die Helden der Ballade sind nicht mehr aktiv-handelnd, wie noch bei Schiller, sondern den Kräften der Umwelt, besonders den Naturkräften willenlos hingegeben, z. B. Brentanos Loreley.

Wichtige Balladenarten der Romantik sind: naturmagische Ballade, Legendenballade und historische Ballade.

Die Ballade des Biedermeier

Anstelle des Irrealismus des Sturm und Drangs oder des ideellen Gehaltes der Klassik, tritt im Biedermeier eine abgemilderte Rationalität der Aufklärung hervor. Rational sind die Balladen des Biedermeier dadurch, da sie keine Sprünge darstellen, keine volkstümliche Sprache verwenden oder durch Rhetorik und Pathos wirken wollen. Deshalb kommt im Biedermeier auch eine Tendenz zur Episierung anstelle von Dramatik in den Balladen zum Ausdruck.

Die Balladen des Biedermeier unterteilt man allgemein in zwei Gruppen: die eine, die zur Rührung anregen soll, und die andere, die einen Schauer auslösen soll. Auffallend ist auch, dass Naturgeister und Dämonen vermenschlicht werden, das dabei am häufigsten verwendete Mittel ist der Humor.
Die wichtigsten Balladendichter des Biedermeier waren Chamisso, Hebbel und Schwab.

Balladendichtung im „Tunnel über der Spree“

Wichtig für die Balladenproduktion um die Mitte des 19. Jahrhunderts ist der Berliner literarische Verein „Tunnel über der Spree“, der 1827 gegründet wurde. Ihre bekanntesten Mitglieder waren Strachwitz, Fontane und Scherenberg.

Zum Vorbild wurden Uhlands Geschichtsballaden. Die Literatur des bürgerlichen Biedermeiers wurde abgelehnt. Daher bemühte man sich auch wieder, die Dramatik in den Balladen zu erhalten, und nicht mehr der Erzählung Vorrang zu geben. Hinsichtlich der Form verwendeten sie häufig die Chevy-Chase-Strophe. Scherenbergs Stoffe entnahm er nicht aus der Vergangenheit, sondern aus der Gegenwart. Fontane wendet sich den Stoffen der englischen Geschichte zu, so z. B. im Archibald Douglas (1854).

Heine, Droste, C. F. Meyer, Liliencron, der späte Fontane

Während sich der größte Teil der Balladendichter zu größeren Gruppen zuordnen lässt, muss man Heine, Droste, Meyer, Liliencron und den späten Fontane für sich betrachten. Hier versagt jede literaturgeschichtliche Zuordnung, denn diese Dichter legten sich auf keine bestimmte Balladentradition fest.

Das Balladenwerk der Droste bildet mit ihrem anderen lyrischen Werk eine Einheit. In ihrer Lyrik und ihren Balladen drückt sich die Unverwechselbarkeit ihres persönlichen Stils aus: Einheitlichkeit der Balladen, dramatischer Stil, Verlebendigung der Naturbeschreibungen und Genauigkeit ihrer Naturbeobachtung. Bekannte Balladen der Droste sind z. B. Der Knabe im MoorFundatorDer GraueDer Schloßelf und Der Tod des Erzbischofs Engelbert von Köln.

Heines Balladen sind in ihren Stoffen und Formen sehr verschieden. Seine Stoffe nahm er dabei meist aus der Gegenwart. Zu Heines bekanntesten Balladen gehören: Die GrenadiereBelsazar und Die schlesischen Weber. Mit dem letztgenannten wendete sich Heine einem sozialen Thema zu.

Conrad Ferdinand Meyer legte besonderen Wert auf ein hohes künstlerisches Bewusstsein. Er gehört zur klassizistischen Richtung des 19. Jahrhunderts. Geschlossenheit der Form, hoher sprachlicher Ausdruck und metrische Form standen im Mittelpunkt. Bekannte Balladen Meyers sind: Die Füße im FeuerNapoleon im KremlDer Pilger und die Sarazenin und die Bettlerballade.

Die Ballade im 20. Jahrhundert

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand ein Rückgriff auf die Anfänge der Kunstballade und auf den Göttinger Hainbund, von einem Kreis von Studenten der sich in Göttingen um Börries von Münchhausen bildete, statt. Es entstanden mehrere Musenalmanache.

Sozialkritische Elemente in Balladen des 20. Jahrhunderts findet man z. B. bei Wedekind, Tucholsky, Kästner und Brecht.
Brecht wird zum Schöpfer der politischen Ballade durch Sozialkritik (Ballade von der Kindsmörderin Marie FarrarLegende vom toten Soldaten) und die Auseinandersetzung mit der aktuellen politischen Entwicklung (Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration).

Der Höhepunkt der Kabarettballade wurde schon vor dem Ersten Weltkrieg mit Wedekind und Mehring erreicht.
Vertreter moderner Balladen sind beispielsweise Biermann, Hacks und Grass.

Weitere Infos zur Ballade

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